Quo vadis?
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Quo vadis?

Drei Jahrzehnte gewerbliche Immobilien – Ein persönlicher Rückblick

Seit über 30 Jahren bewege ich mich im gewerblichen Immobilienbereich. Drei Jahrzehnte, in denen sich Märkte, Menschen, Mentalitäten und Mechanismen gewandelt haben – begleitet von Erschütterungen, Euphorien und ernüchternden Erfahrungen. Immobilien galten lange als Fels in der Brandung – aber ich habe gelernt: Auch Felsen können bröckeln, wenn sich das Fundament verändert.

🔹 Die 1990er – Goldgräber, Größenwahn und das Ende der Illusion

Die 1990er-Jahre begannen mit einem Boom: Wiedervereinigung, Investitionsanreize im Osten, großzügige Bankkredite. Die Euphorie war ansteckend – und oft irrational. Namen wie Jürgen Schneider, Köllmann oder Ernst standen für spektakuläre Projekte, Prestigebauten und ebenso spektakuläre Abstürze. Ihre Insolvenzen waren nicht nur wirtschaftliche, sondern auch moralische Katastrophen. Sie lehrten uns: Immobilien brauchen Substanz, nicht nur Fassade.

🔹 Die 2000er – Dotcom, 9/11 und globale Vernetzung

Zur Jahrtausendwende kam die Dotcom-Blase. Sie betraf zwar vorrangig Technologieunternehmen, hatte aber auch Auswirkungen auf Büroflächen, Standorte und Investitionsverhalten. Der Schock von 9/11 traf die Weltwirtschaft – und ließ auch die Immobilienmärkte innehalten. Die vermeintliche Stabilität wurde brüchig. Dennoch entwickelte sich der deutsche Markt im Vergleich relativ robust – gestützt auf Realwerte und vorsichtig agierende Kreditinstitute.

🔹 Die 2010er – Finanzkrise, Billiggeld, neue Player

Die Finanzkrise 2008 war ein globaler Weckruf. Auch wenn sie in Deutschland milder verlief als in den USA, änderte sich das Klima spürbar: Banken wurden zurückhaltender, Investoren vorsichtiger. Und doch: Mit den fallenden Zinsen kam das Kapital zurück – verstärkt durch internationale Fonds, Family Offices und neuen Akteuren wie Benko oder Gröner. Die Urbanisierung nahm Fahrt auf, Büro- und Logistikimmobilien boomten. Doch vieles war erneut spekulationsgetrieben – eine ruhige Phase vor dem nächsten Sturm.

🔹 2020 bis 2025 – Corona, Krieg und eine neue Zäsur

Dann kam Corona. Eine globale Gesundheitskrise, die zur wirtschaftlichen Zeitenwende wurde. Homeoffice stellte Büroflächen infrage. Innenstadtlagen verloren an Bedeutung, Logistik wurde systemrelevant. Die Unsicherheit wirkte wie ein Brandbeschleuniger für strukturelle Veränderungen.

2022 begann der Ukraine-Krieg, und damit stiegen Energiepreise, Baukosten, und die Planbarkeit sank drastisch. Die Zinswende ab 2023 ließ Finanzierungen einbrechen. Viele Projekte wurden gestoppt, Transaktionen verschoben.

2025: der Konflikt im Nahen Osten zwischen Israel und dem Iran markiert nun vielleicht einen neuen Wendepunkt. Noch ist nicht klar, wie tief die Auswirkungen auf Kapitalmärkte und geopolitische Stabilität reichen werden – doch klar ist: Die Immobilienbranche wird erneut auf den Prüfstand gestellt.


🧭 Was bleibt?

Nach all den Jahren glaube ich nicht mehr an Sicherheit durch Masse, Größe oder Kapital. Ich glaube an Anpassungsfähigkeit, Glaubwürdigkeit und langfristiges Denken.

Was sich verändert hat? Der Zeithorizont. Was früher in Dekaden gedacht wurde, muss heute in Quartalen geplant werden. Die Halbwertszeit von Vertrauen ist kurz geworden.

Was sich nicht verändert hat? Der Wert echter Beziehungen. Netzwerke, Verlässlichkeit, Handschlagqualität – sie sind seltener geworden, aber umso wertvoller.


Fazit

Immobilien sind mehr als Märkte. Sie sind Räume, in denen sich Gesellschaft abbildet – mit all ihrer Unsicherheit, Dynamik und Hoffnung.

Erfahrung zählt. Und Haltung erst recht.


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